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15
06
2019

Ansage unter dem Regenschirm durch den Sprecher: "Veranstaltung wird abgebrochen !"- Foto: Virtah Sailer

Worst Case für Veranstalter – und Läufer. Wenn das Wetter wieder einmal Kapriolen reißt – Von Wilfried Raatz

By GRR 0

Absagen von Veranstaltungen häufen sich zunehmend – Was ist zu tun?

Es ist der schlechteste oder ungünstigste Fall, den ein Veranstalter vermelden muss. Jüngst geschehen bei der 5×5 km Team-Staffel powered by Berliner Wasserbetriebe im Tiergarten. Am frühen Nachmittag musste der Veranstalter SCC EVENTS diesen Worst Case vermelden.

Die Absage basierte auf einer Prognose des Deutschen Wetterdienstes, der für Tag 1 des mit insgesamt nahezu 30.000 Teilnehmer besetzten überaus populären Hauptstadt-Staffellaufes eine „nachteilige Entwicklung“ mit starkem Gewitter und Windböen mit Geschwindigkeiten bis zu 100 Stundenkilometern vermeldete.

Für die Macher von SCC EVENTS gab es freilich keine andere Alternative, um „schweren Herzens“ diesen Teil der Veranstaltung abzusagen.

Ein Abbruch von Veranstaltungen auf Grund höherer Gewalt ist in den zurückliegenden Jahren leider keine Seltenheit mehr, denn die krassen Klimaveränderungen, nicht zuletzt zurückzuführen auf die Jahrzehnte lange Unvernunft von Mensch und Industrie, schlägt immer stärkere Kapriolen. Vorbei sind die Zeiten, als in den Ausschreibungen von Laufveranstaltungen plakativ zu lesen war, dass die „Veranstaltung bei jedem Wetter stattfinde“.

Offenbar ist die deutsche Hauptstadt besonders betroffen von Wetterextremen, denn mit dem 10 km-Lauf auf dem Flughafen Schönefeld musste bereits eine Veranstaltung wegen zu großer Hitze abgesagt werden, der legendäre 10 km-Lauf auf dem Kurfürstendamm wurde kurzerhand wegen hoher Temperaturen in der Distanz halbiert und die Zeitmessung ausgesetzt.

„Der Abbruch … auf Grund von höherer Gewalt ist für uns als Veranstalter ebenso frustrierend und enttäuschend wie für alle Betroffenen“, so die Berliner SCC-Events Macher und verdeutlichten zugleich auch das Dilemma eines Veranstalters. Diese „wird ein Jahr lang vorbereitet, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stecken viel Arbeit in die Organisation, damit am Tag X alles reibungslos abläuft. Wir müssen und wollen uns an die Anweisung der Polizei und des Deutschen Wetterdienstes halten!“

Ein Szenarium wie kürzlich in Berlin wird leider künftig durchaus „an der Tagesordnung“ sein. Das bedeutet letztlich, dass sich Veranstalter und Teilnehmer auf Absagen oder Veränderungen bei Outdoor-Veranstaltungen gefasst machen müssen.

Bei der Europameisterschaft in Berlin am 9. August 2018 im Olympiastadion ging am Ende der Abendveranstraltung um 22.25 Uhr über dem Stadion ein Unwetter nieder. Der Sprecher riet den Zuschauern aus Sicherheitsgründen das Stadion nicht zu verlassen., da sie dort sicher seien. An den Stadionausgängen hielten die Ordner die  trotzdem „fliehenden“ Zuschauer ab, das Stadion zu verlassen.

Das Berliner Olympiastadion bei der EM Berlin am 9. August 2018 um 22.25 Uhr bei Starkregen und Unwetter. – Foto: Horst Milde

Dies gilt natürlich primär für Berg-, Landschafts- und Trailläufe, die nicht nur in höheren Lagen bei instabilen Witterungsbedingungen mit krassem Temperatursturz, Gewitter und Schneefall rechnen müssen. Schlechtwettervarianten sind ein probates Mittel, sich gegen kurzfristige Wetteränderungen vorzubereiten.

Beim Swissalpine in der Landschaft Davos hat man in drei Jahrzehnten Event-Erfahrung schon zahlreiche heikle Situationen durchlebt, die zum Teil auch einen Rennabbruch zur Folge hatten. Wer nun denkt, dass starke Wetterveränderungen nur im topografisch anspruchsvollen Mittelgebirge oder im Alpenraum vorkommen, der liegt (leider) längst falsch.

Die weltbekannten Marathonläufe in Rotterdam und Chicago, aber auch zahlreiche mittelgroße und kleine Veranstaltungen mussten wegen zu großer Hitze, Starkregen oder nicht mehr gewährleistete Wasserversorgung der Teilnehmer abgebrochen werden. Der Dämmermarathon in Mannheim und Ludwigshafen musste sogar ganz abgesagt werden, weil Starkregen und extreme Windböen eine reguläre Veranstaltung unmöglich machten.

„Trotz dem Wetter“! ist manchmal schon nicht mehr sinnvoll“ – Foto: Wilfried Raatz – wus-media

„Die Teilnehmer müssen sich bei den rasch ändernden Bedingungen auf kurzfristige Absagen oder Anpassungen gefasst machen“, verdeutlicht Horst Milde, der langjährige Race-Director des Berlin-Marathon und Vorsitzender von German Road Races (GRR), die aktuelle Situation.

Als erfahrener Veranstalter umreißt der GRR-Chef das Procedere, wie eine moderne, umsichtig organisierte Veranstaltung, nicht zuletzt auch durch die Terrorgefahr bei Massenveranstaltungen, zu strukturieren ist. „Ein Krisenstab, besetzt mit Genehmigungsbehörde, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten und Event-Management, muss noch kurz vor einer Veranstaltung abwägen, ob irgendwelche Gefahrenpunkte die Durchführung gefährden bzw. welche Maßnahmen ergriffen werden müssen“.

Als Abbruchszenarien nennt Horst Milde neben Unwetter mit Gewitter und Überschwemmungen auch starke Temperaturveränderungen, Unfälle und Drittszenarien, die den Einsatz von Feuerwehr, Polizei und Rettungsdiensten erforderlich machen, Terrorgefahr oder Todesfälle während einer Veranstaltung.

Wilfried Raatz

Abbruch der heutigen 5×5 km TEAM-Staffel 2019 powered by Berliner Wasserbetriebe

 

author: GRR